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Russlands 'zauberhafter' Orient: Kaukasien und Zentralasien

Vorurteile, Fremdbilder und kulturelle Missverständnisse

Wir beurteilen das Andere nach unseren eigenen Werten und Einstellungen. Das Resultat eines solchen Vergleichs sind vielfach Vorurteile und Stereotypen, zumal der Vergleich des Anderen mit dem Eigenen häufig auf lückenhaften, verzerrten oder falsch entschlüsselten Informationen basiert. Nicht anders erging es den Beobachtern Russlands.

Zelt der "Samojeden" aus dem Buch von de Bruyn, Travels into Muscovy, London 1737, Bd. 1, S. 37. Eine samojedische Familie sitzt nahe der Feuerstelle, ein Wickelkind schläft in einer aufgehängten Krippe. Ein westlicher Betrachter sitzt am linken Bildrand.
Der westliche Reisende als Betrachter des exotisch-barbarisch Fremden (Kornelis Philander de Bruyn: Travels into Muscovy, London 1737, SOB RoEu fol 20: 1, S. 37)

Schon in früheren Zeiten war man sich des Problems der verzerrten Wahrnehmung bewusst:

«Nun finde ich [...], dass [...] die Eingebornen in jener andren Welt nichts Barbarisches oder Wildes an sich haben, oder doch nur insofern, als jeder das Barbarei nennt, was bei ihm ungebräuchlich ist – wie wir ja in der Tat offensichtlich keine andere Messlatte für Wahrheit und Vernunft kennen als das Beispiel und Vorbild der Meinungen und Gepflogenheiten des Landes, in dem wir leben: Stets findet sich hier die perfekte Religion, die perfekte Staatsordnung, der perfekteste Gebrauch aller Dinge.» (Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592): Essais)