Inhaltliche Aspekte
Bongars stellte seine Bibliothek nach humanistischer Tradition zusammen und berücksichtigte alle Wissensgebiete der damaligen Zeit.
In der Abteilung Theologie befinden sich biblische Texte in Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, Aramäisch, Arabisch, Spanisch, Katalanisch. Aus der berühmten "Complutenser Polyglottenbibel" ist das Neue Testament in Griechisch-Lateinisch von 1514 (der erste Druck!) da. Es gibt zahlreiche Schriften von und über Kirchenväter, über die katholische Kirche oder die Päpste, Streitschriften wegen Glaubensfragen.
Unter den medizinischen Werken finden wir Koch-, Wein-, Pest-, Kräuter-und Arzneibücher, etliche alchimistische Titel, zum Beispiel von Andreas Libavius, Ram-n Lull, Lucas Rodargirus, Leonhardt Thurneisser zum Thurn. Alle bedeutenden Klassiker der Medizin wie Celsus, Dioscorides, Galenus, Hippocrates, Theophrastus, sind vertreten.
Im Fachbereich Jurisprudenz sind die römischen und germanischen Rechtsquellen mit dem "Corpus juris civilis" und der "Lex Salica" vorhanden, das Kirchenrecht mit dem "Corpus juris canonici", dazu kommen zahlreiche entsprechende Kommentare. Natürlich fehlen die Schriften von Jacques Cujas und François Hotman, bei denen Bongars studierte, nicht.
Die Artes Liberales stellen mit über 1'800 Titeln ein gewichtiges und vielfältiges Gebiet dar; im Katalog von Hortin wird es von den Philosophen eröffnet. Am stärksten vertreten ist Aristoteles. Zahlreich sind die philologischen Werke, am berühmtesten wohl Colonnas "Hypnerotomachia Poliphili". Bongars' Interesse an Sprachen spiegelt sich in der Abteilung "Grammatici" mit Wörterbüchern und Grammatiken in Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, Aramäisch, natürlich auch in Französisch, Deutsch, Englisch, sowie Polnisch. In denselben Sprachen gibt es Lexika, dazu kommen noch welche in Toskanisch, Spanisch, Böhmisch-Ungarisch [vermisst!]. Ein lateinisch-griechisch-ungarisches Lexikon weist eine persönliche Widmung des Verfassers Molnar an Bongars auf. Hingewiesen sei ferner auf einen "Thesaurus Polyglottus" von Megiser, in dem der ganze damals bekannte Sprachschatz verzeichnet wurde. Von Cicero lassen sich heute 90 Drucke nachweisen (die untergeschobenen nicht gezählt). Damit ist er der am stärksten vertretene Autor in der Bongarsiana; zugleich wird deutlich, wie vorbildlich seine Werke zur Zeit Bongars immer noch waren.
Die Mathematik und die Arithmetik sind durch Autoren wie Boethius, Euclid (mit 13 Drucken), Michael Psellus, aber auch mit Michael Stiefel vertreten, die Geographen mit Dionysius Periegetes, Pomponius Mela, Ptolemaeus, Ortelius, Strabo. In der Astronomie finden wir Namen wie Brahe, Firmicus Maternus, Galilei, Kepler - in der Architektur Alberti, Androuet du Cerceau, Palladio, Ramelli und Vitruvius (von ihm diverse Ausgaben und je eine französische und eine italienische Übersetzung). Die Abteilung "Politici" im Clavis von Hortin ist verständlicherweise umfangreich: darin sind Werke von Friedrich II. "De arte venandi", Hemmerlin "Opuscula" und "De nobilitate", Rosello "Cosimo de'Medici", der "Cortegiano" von Castiglione in einer Ausgabe von 1545, sowie Machiavellis "Principe" in einem Druck von 1537, aber auch Garzonis "Piazza" und eine italienische Übersetzung von Juan Huartes "Examen de ingenios para las sciencias". Unter den Verfassern von Kriegsschriften figurieren Brancaccio, Lipsius, Ramus, Valturio, Vegetius. Die "Befestigungslehre" von Dürer allerdings fehlte bereits im Katalog von 1811! Bongars besass einige Bücher über Nautik, Numismatik, Mass und Gewicht sowie über Landwirtschaft.
Historia: Mit beinahe 2'600 Titeln ist dies die grösste Abteilung. Es gibt Kataloge wie Conrad Gesners "Bibliotheca universalis" in der Ausgabe von Fries von 1583 und die Pandekten von 1548, aber auch Verzeichnisse von Handschriftensammlungen in Oxford und Cambridge (Verfasser Thomas James), in Augsburg (D. Hoeschel), in München (J.G. Herwart von Hohenburg). Die Geschichtsquellen für das Altertum sind unter anderem mit drei Ausgaben von Diodorus Siculus, die jüdische Geschichte mit vier Gesamtausgaben von Josephus Flavius vertreten. In der Kirchengeschichte gibt es eine Gruppe "Jesuitica", die weit über 100 Drucke enthält. Dieses Thema interessierte Bongars enorm, denn er sah eine grosse Gefahr in der jesuitischen Bewegung. Er sammelte Pamphlete zu spezifischen Fragen, Streitschriften, Publikationen über die Jesuiten in Frankreich und Polen, über ihre Missionen in Asien und Südamerika. Er besass auch die Regeln von Ignatius von Loyola. Ein weiteres Thema, das Bongars intensiv pflegte und darüber arbeitete, ist die Geschichte der Kreuzzüge und die Reisen ins Heilige Land (siehe seine Quellensammlung "Dei gesta per Francos"). Für seine Edition der "Epitome Pompeii Trogi" des Justinus benutzte er diverse Codices und Drucke. Neben seiner eigenen Ausgabe von 1581 und einer späteren Auflage von 1591 sind noch fünf verschiedene Drucke vorhanden, darunter eine spanische Übersetzung.
Aus der Geschichte des Orients seien zwei lateinische Ausgaben von Haythons "Historia Orientalis" und die französische Übersetzung "Fleurs des histoires" von 1517, erwähnt. Auffallend viele Türkendrucke gehören in diese Sachgruppe. Eine Spezialität zur Zeitgeschichte sind die umfangreichen Messrelationen (Vorläufer der Zeitung), die Bongars sammelte. Diese Neuigkeiten wurden halbjährlich zu den Frankfurter Frühjahrs- und Herbstmessen publiziert, u.a. von Eitzing, Framen, Francus, Friedlieb, Löw, Lorch, Meurer, Striegel. Es folgen die Abteilungen römische, germanische, gallische Geschichte. Naturgemäss ist letztere ausladend mit zahllosen politischen Pamphleten. Im Appendix zum neuen Hauptkatalog (auf Mikrofiches) sind die Drucke betr. Glaubenskrieg 1560-1600 (Diplomarbeit Françoise Belart) chronologisch nachgewiesen. Bongars besass auch "Mer des histories" in 4 Bänden, die "Chroniques" von Philippe de Commynes, annotiert von Guillaume Budé, und eine andere annotiert von Johannes Sleidanus. Eine weitere Rarität ist eine Ausgabe des "Buève de Hantone" von 1502.
Zum Anfang
Dokumente über Grossbritanien und Italien (hier viele Drucke über den Streit von Papst Paul V. mit der Republik Venedig) folgen. Den Abschluss bildet die Literatur zur spanischen und portugiesischen Geschichte.
Poetica: Diverse literarische Texte wurden auch in den "Freien Künsten" und im "Appendix" untergebracht. Bongars sammelte wohl bevorzugt klassische Literatur: von den Griechen sind Werke von Hesiod, Homer, Pindar und Plutarch, von den Römern Ausgaben von Catull, Horaz, Juvenal, Lucan, Martial, Ovid, Persius Flaccus, Valerius Flaccus, Vergil in seiner Sammlung, und von den Komödien- und Tragödiendichtern sind Stücke von Aeschylus, Aristophanes, Euripides, Lycophron, Sophocles, sowie Plautus und Terenz vorhanden. Kostbar sind die Handexemplare von Pierre Daniel für seine Edition des "Querolus" (katalogisiert unter Plautus, Pseudo). In der französischen Literatur ist zum Beispiel auf Lemaire de Belges und seinen "Temple d'honneur" hinzuweisen, oder auf eine Ausgabe von ca. 1500 des "Vergier d'honneur". Die Italiener Ariost und Petrarca sind vertreten, und erwähnenswert ist die "Celestina" von Fernando de Rojas in einer spanischen Ausgabe, einer italienischen und einer französischen Übersetzung. Die Werke von Roswitha von Gandersheim besass Bongars in der berühmten Nürnberger-Ausgabe von 1501 mit den Holzschnitten von Albrecht Dürer und Wolf Traut. Die Komödie "Pathelin" ist in der lateinischen Übertragung von Johannes Reuchlin in einem Pariserdruck von 1543 nachweisbar. In der "Poetica" wie in den "Artes Liberales" begegnet man Publikationen von Vater und Sohn Scaliger.
Appendix: Dante ist in einem italienischen Druck von 1531 mit dem "Gastmahl", Rabelais mit dem "Gargantua" in einem Lyonerdruck von 1535 vertreten. Die Farce "Pathelin" finden wir hier wieder, und zwar im französischen Originaltext. "Grobianus und Grobiana", eine lateinische Satire von Dedekind, aber auch eine "Musicae practiae" von Rogge sind hier untergebracht. Von den drei Ausgaben der "Arcadia" von Philip Sidney, die Hortin ursprünglich katalogisierte, ist noch ein Druck von 1598 vorhanden.
Im Appendix gibt es eine Unterabteilung "Libri erotikoi", diese wurde angeblich um 1770 von einem Liebhaber geplündert; geblieben sind zum Beispiel Scioppius' Ausgabe der Sammlung "Priapeia" und der "Decamerone" von Boccaccio.
von Margaret Eschler